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Elektronischer Transport in Legierungen

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Ein Kriterium für wahre Physik ist die Übereinstimmung zwischen Theorie und Experiment. Zwei weitere Kriterien sind Schönheit und Symmetrie der  zugrundeliegenden Formeln:
Formeln (1), (2), (6),(7), (12) und (13)

Schlagworte:
Halleffekt, Riesen-Halleffekt, Seebeckkoeffizient (Thermopower), Spezifische elektrische Leitfähigkeit, Elektronendichte, Ioffe-Regel-Kriterium, Composites, Nanocomposites, Minimale metallische Leitfähigkeit

 

Dr. Joachim Sonntag, Physicist
Dr. Joachim Sonntag, Physicist

Auf dem Gebiet der Festkörperphysik gibt es eine Reihe von unbeantworteten Fragen, die sich jahrzehntelang hartnäckig einer wissenschaftlichen Erklärung widersetzt haben. Mit den neuen Formeln (1) bis (11) können diese beantwortet werden.

Hier die bisher unbeantworteten Fragen:

1) Warum gibt es einfache Metalle mit positiver Thermokraft, obwohl laut Theorie die Thermokraft einfacher Metalle immer negativ sein müsste?

2) Was ist der Grund für das Phänomen des „Riesen-Halleffekts“ in Metall-Isolatoren-Schichten?

3) Warum können amorphe Metallschichten überhaupt existieren, obwohl der kristalline Zustand der stabilere ist?

4) Gibt es eine endliche minimale metallische Leitfähigkeit?

5) Warum nimmt die spezifische elektrische Leitfähigkeit \(\sigma\) einer dünnen Metallschicht exponentiell mit abnehmender Schichtdicke ab? (Proximity-Effekt)

6) Supraleitung von Dünnschichten – Warum haben Supraleiter als dünne Schicht oft eine höhere Übergangstemperatur TS als ihre kompakten Pendants?

Während des Studiums der Publikationen zur Standardtheorie der Elektronenstruktur und der elektronischen Transportphänomene in ungeordneten Legierungen (N. F. Mott, P. W. Anderson, U. Mizutani und andere) waren mir Widersprüche zwischen den experimentellen Befunden und den theoretischen Vorhersagen aufgefallen. Daher vermutete ich, dass die Theorie ungenau oder falsch sein könnte.  Durch gründliche Analyse der vorhandenen Messdaten zur elektrischen Leitfähigkeit entdeckte ich bei amorphen Metall-Metalloid-Legierungen eine einfache mathematische Beziehung zwischen σ und x: σ ∝  exp[x/(1-x)].    (σ – spezifische elektrische Leitfähigkeit, x – Konzentration des Metalloidgehalts in der Legierung).  Unter Zugrundelegung dieses Befundes formulierte ich ein physikalisches Modell, der die Elektronenstruktur in diesen Legierungen mit dessen topologischer Struktur direkt in Beziehung setzt. Das Entscheidende in diesem Modell ist, dass diese amorphen Legierungen als Nanocomposites betrachtet werden, in dem verschiedene Phasen mit unterschiedlichen Strukturen nebeneinander existieren. Die Formeln (5), (9), (10) und (11) (s.u.) folgen direkt aus diesem physikalisches Modell. Daraus ergab sich die Frage: Kann man auch die anderen elektronischen Parameter wie Seebeck-Koeffizient (Thermokraft)  \(S\) und Halleffekt \(R\), aus  diesem Modell mathematisch ableiten? Die Fragen lauteten daher:

  • Wie kann man \(S\) aus den bekannten \(S_i\)  berechnen?
  • Wie kann man \(R\) aus den bekannten \(R_i\) berechnen?

(\(S_i\) und \(R_i\) sind die Seebeck und Hall-Koeffizienten der einzelnen Phasen \(i\)  [= A, B, …]).

Auch dazu lieferte die Theorie bereits Formeln, die sich aber bei genauer Analyse ebenfalls als unvollständig oder falsch erwiesen.  Worin diese Fehler bestehen, ist thematisiert im Reviewartikel: J. Sonntag, B. Lenoir and P. Ziolkowski, Electronic Transport in Alloys with Phase Separation (Composites).  Open Journal of Composite Materials, 2019, 9, 21-56 https://www.scirp.org/Journal/PaperInformation.aspx?PaperID=90216

Die neuen, korrigierten Formeln zu \(S\) und \(R\) sind die Formeln (1), (2), (6) bis (8). Im oben erwähnten Reviewartikel sind die Ableitungen für die Formeln (1) bis (8) noch einmal zusammengefasst.  

Dieses neue physikalische Modell mit den dazugehörigen Formeln liefert auch Antworten zu den oben aufgeführten Fragen 1) bis 6).

Hier die Antworten auf die Fragen 1) bis 6):

Die Antwort auf 1) folgt aus der Formel (4). Die klassische Formel \(S_0\) liefert stets negative Thermokraft. Die neue Formel (4) liefert positive Thermokraft, wenn der zweite Term positiv ist und dieser den ersten Term dominiert. Beispiele sind Cu, Ag, Au, Li. Die Formel (4) folgt aus Formel (2) als Grenzfall \(\upsilon_A → 0\) . 

Die Antwort auf 2) folgt aus der Formel (5) in Verbindung mit Formel (6).

Die Antwort auf 3) folgt aus der Formel (5) .

Die Antwort auf 4) lautet: JA. Dies folgt aus den Formeln (10) und (11), die beide aus Formel (9) folgen.

Die Antwort auf 5) folgt aus Formel (5) in Verbindung mit dem Fakt, dass der Verlust von Elektronen in der dünneren Metallschicht  (infolge Elektronentransfer zum Substrat, wo sie Oberflächenzustände besetzen) auf weniger Metallatome verteilt ist als in dickeren Metallschichten. Deshalb verringert sich die Elektronendichte in der Metallschicht, wenn die Dicke der Metallschicht abnimmt. Exponentiell deshalb, weil die Anwendung der Formel (5) zu einer exponentiellen Abhängigkeit führt.

Die Antwort auf 6) ist gegeben durch Formel (5), weil die Bildung von Cooper-Paaren auch von der Elektronendichte abhängt. 

Die zweitschönsten Formeln in der Physik:

Thermokraft (Seebeckkoeffizient)
für Legierungen mit Phasentrennung

\begin{equation}\label{formel00}
\sum_i\upsilon_i\frac{\sigma_i/S_i-\sigma/S}{\sigma_i/S_i + 2\sigma/S}\approx 0
\end{equation}

Formel (1)

\begin{equation}\label{formel01}
\sum_i\upsilon_i\frac{\kappa_{e,i}/S_i-\kappa_e/S}{\kappa_{e,i}/S_i + 2\kappa_e/S}=0
\end{equation}

Formel (2)

wo \(S_i\) gegeben ist durch
\begin{equation}\label{formel01b}
S_{i} = S_{i,0} + \frac{1}{|e|}\frac{d\mu}{dT}.
\end{equation}

Formel (3)

Thermokraft in homogenen Legierungen

\begin{equation}\label{formel05}
S = S_0 + \frac{1}{|e|}\frac{dE_c}{dT}
\end{equation}

Formel (4)

Elektronendichte in der Phase mit dem höchsten Potential in einer amorphen Legierung mit Phasentrennung (Electronentransfer zwischen den Phasen)

\begin{equation}\label{formel02}
dn = -\beta \cdot n\cdot d\zeta
\end{equation}

Formel (5)

Hallkoeffizient-Formel für Zweiphasenlegierungen

\begin{equation}\label{formel07}
R = \frac{\sigma_A^2 R_A \left[\sigma_B+\sigma (3 \upsilon_A-1)\right] + \sigma_B^2 R_B \left[\sigma_A+\sigma (3 \upsilon_B-1)\right]}{\sigma(\sigma_A \sigma_B + 2\sigma^2)}
\end{equation}

Formel (6)

Allgemeine Hallkoeffizient-Formel für Legierungen mit zwei oder mehr Phasen

\begin{equation}\label{formel08}
\left(R \sigma^2 \frac{\partial}{\partial \sigma} + \sum_{i} R_i \sigma_i^2 \frac{\partial}{\partial \sigma_i} \right)  f(\sigma,\sigma_i) = 0,
\end{equation}

Formel (7)

wo
\begin{equation}\label{formel09}
f(\sigma,\sigma_i) = \left(\prod_{i} \left(\sigma_{i}+2\sigma\right)\right) \left(\sum_{i}\upsilon_i\frac{\sigma_{i}-\sigma}{\sigma_{i}+2\sigma}\right)
\end{equation}

Formel (8)

Ioffe-Regel Kriterium (Alternative Interpretation)

\begin{equation}\label{formel03}
k_{F} L \geq c^* = \frac{1}{4}
\end{equation}

Formel (9)

Kleinste metallische Leitfähigkeit; starke Streuung

\begin{equation}\label{formel06a}
\sigma_{min} = \frac{c^{*2}}{6}\Bigm(\frac{\mathrm{e}^2}{h}\Bigm)\frac{1}{d} = \frac{1}{96}\Bigm(\frac{\mathrm{e}^2}{h}\Bigm)\frac{1}{d} \approx 20 Ω^{-1} cm^{-1}
\end{equation}

Formel (10)

Kleinste metallische Leitfähigkeit; allgemein

\begin{equation}\label{formel06}
\sigma_{min} = \frac{2 c^{*2}}{3 \pi}\Bigm(\frac{\mathrm{e}^2}{h}\Bigm)\frac{1}{L} = \frac{1}{24 \pi}\Bigm(\frac{\mathrm{e}^2}{h}\Bigm)\frac{1}{L}
\end{equation}

Formel (11)

Die Formeln (1), (2) und (6)-(8) enthalten auch \(\sigma\) und \(\kappa_e\). Diese können aus den \(\sigma_i\) und \(\kappa_{e,i}\) berechnet werden über die Formeln

\begin{equation}\label{formel12}
\sum_i\upsilon_i\frac{\sigma_i – \sigma}{\sigma_i + 2\sigma} = 0
\end{equation}

Formel (12)

und

\begin{equation}\label{formel13}
\sum_i\upsilon_i\frac{\kappa_{i} – \kappa}{\kappa_{i} + 2\kappa} = 0 ,
\end{equation}

Formel (13)

wenn man \(\kappa_{i}\) durch \(\kappa_{e,i}\) ersetzt und \(\kappa\) durch \(\kappa_e\). Diese beiden Formeln wurden bereits 1951 bzw. 1952 veröffentlicht durch:

Odelevskii, V.I. (1951) „Raschet obobshchennoy provodimosti geterogennykh system“. Zhurnal tekhnicheskoy fiziki, 21, 678.

Landauer, R. (1952) „The Electrical Resistance of Binary Metallic Mixtures“. Journal of Applied Physics, 23, 779.  https://doi.org/10.1063/1.1702301

Symbole

\(S\) – Seebeckkoeffizient

\(R\) – Hallkoeffizient

\(\sigma\) – spezifische elektrische Leitfähigkeit

\(\kappa_{\mathrm{e}}\) – Elektronischer Beitrag zur spezifischen Wärmeleitfähigkeit

\(S_i\) – Seebeckkoeffizient der Phase \(i\)

\(R_i\) – Hallkoeffizient der Phase \(i\)

\(\sigma_i\) – spezifische elektrische Leitfähigkeit der Phase \(i\)

\(\kappa_{\mathrm{e,i}}\) – Elektronischer Beitrag zur spezifischen Wärmeleitfähigkeit der Phase \(i\)

\(\upsilon_i\) – Volumenanteil der Phase \(i\)

\(i\) characterisiert die Phase in der Legierung, \(i = A, B, \ldots\)

\(S_0\) und \(S_{i,0}\) steht für die klassische Thermokraftformel für eine homogeme Legierung bzw. für die Phase \(i\)

\(n\) –  Electronendichte [in einer Zweiphasenlegierung ist \(n\) die Electronendichte in der Phase mit dem höheren Potential (\(\equiv\) phase \(A\))]

\(\zeta = \upsilon_B/\upsilon_A\)

\(\beta\) – Konstante für eine gegebene Zwei-Phasen-Legierung, die bestimmt ist durch die mittlere Potentialdifferenz zwischen den zwei Phasen.

\(E_c\) – Bandkante des Leitungsbandes

\(T\) – Temperatur

\(\mu\) – Electrochemical potential

\(k_F\) – Wellenzahl auf der Fermifläche

\(L\) – Mittlere freie Wegänge der Ladungsträger

\(d\) – Mittlerer Atomabstand

Die Formeln (1) bis (11) habe ich veröffentlicht in:

Formel publiziert in
(1) Phys. Rev. B 73, 045126 (2006)
(2) J. Phys.: Condens. Matter 21 (2009) 175703 und  J. Mater. Chem. C, 2016,4, 10973-10976
(4),(3) J. Phys.: Condens. Matter 22 (2010) 235501
(5) Phys. Rev. B 40, 3661 (1989)
(6)-(8) Open J. of Composite Materials 6 (2016) 78
(9) Phys. Rev. B 71, 115114 (2005) (Appendix)
(10),(11) Phys.Rev.B73, 045126 (2006) (Appendix B)

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